Les parcs aventure, un secteur en pleine croissance  

Wer anderen in Notsituationen helfen und bei Rettungseinsätzen mitanpacken möchte, der muss mit dem Equipment ebenso vertraut sein wie mit den Rettungstechniken. Beides wird bei Altimum Formation SA während der ITRA-Zertifizierung gelehrt und trainiert. Ein Augenzeugenbericht. 

Text & Bilder:  Stefan Tschumi

Ein Donnerstagmorgen Mitte Juni 2024: Rund um das Altimum Trainings Center in Palézieux (VD) herrscht schon früh morgens reger Betrieb. Motorräder und Autos biegen auf den Parkplatz ein und mittendrin der Bus des Zivilschutzes Waadt. Doch vom Viererteam, das hier zum ITRA-Training ist, keine Spur. Zumindest noch nicht. Patrice Schlatter, der Instruktor, lehnt sich aus einer halb geöffneten Tür und ruft: «Die sind schon drin!» 
Ein Blick auf die Uhr verrät die Zeit: 07:38 Uhr. Der Kurs startet um 08:00. Dennoch, beim Betreten des Kursraumes sind alle vier schon da. «Sie sind wirklich motiviert», meint Patrice mit einem Lächeln, und einer der Kursteilnehmer erwidert: «Stimmt, wir haben aber auch viel vor.» Das glaubt man sofort, wenn man den Raum betritt. Links beim Fenster eine Puppe, die mit Schutzausrüstung ausgestattet ist. An den Wänden hängen verschiedene Plakate, auf denen Abläufe zur Seilsicherung aufgezeigt werden. Auf den Tischen der Teilnehmenden liegen Ordner mit den Schulungsunterlagen, davor Notizblöcke und Tablets. Bereits zwanzig Minuten vor offiziellem Kursstart blättern die Teilnehmenden durch die Informationen, dazwischen gibt es immer wieder mal einen lockeren Spruch und die eine oder andere Bemerkung zu den vergangenen Tagen. 

Es ist eine gelöste Stimmung. Dennoch, ein Blick in die Gesichter der Teilnehmer verrät, in den letzten Tagen wurde hart gearbeitet. Die Augen sind müde. Schliesslich läuft das Training seit Montagmorgen und Patrice schont das Quartett nicht, im Gegenteil. «Prinzipiell wissen sie, worum es geht. Sie haben ihre Ausrüstung und ihre Abläufe. Das sind Profis. Ich bin hier, um das Augenmerk auf die Details zu legen. Hinweise zu geben und zu hinterfragen. Mein Ziel ist es, sie besser zu machen. Sie sind freiwillig hier. Das Gesetz sieht nicht vor, dass sie diese Zertifizierung ablegen müssen. Aber sie wollen es. Das sieht man auch daran, dass sie so früh hier sind.» 

Patrice Schlatter, ITRA-Ausbilder bei Altimum Formation SA gibt den Schulungsteilnehmern einen Überblick über das Programm für den heutigen Trainingstag. 

Bei Arbeiten in der Höhe steht die Sicherheit im Vordergrund und daher ist eine Ausbildung erforderlich.  Auch Altimum Formation SA bildet in diesem Bereich aus. Verschiedene Kurse können besucht werden. Im Zentrum steht der Umgang mit der PSA gegen Absturz. Und natürlich die IRATA Zertifizierung, bei welcher der richtige Umgang mit Seilzugangssystemen erlernt und geübt wird. Dabei wird die aktuelle Rechtsgrundlage geklärt, die Gefahren in Zusammenhang mit der Verwendung der PSA gegen Absturz betrachtet und die PSA-Kategorien gegen Absturz und ihre Anwendungsfälle erlernt. Ebenso die Fortbewegung in der Höhe. Aus diesem Grund sieht Patrice die IRATA Zertifizierung als eine geeignete Grundlage, um anschliessend die ITRA-Zertifizierung zu absolvieren, welche speziell auf die Bedürfnisse und Anforderungen von Rettungskräften und Technikern mit ähnlichen Interessen zugeschnitten ist. 

Theoretisches Wissen für die solide Grundlage 

Wie jeden Morgen startet Patrice auch am zweitletzten Kurstag mit einer Input- sowie Fragerunde. Es gilt die letzten Unklarheiten zu klären, denn morgen steht die Prüfung an. Dann gilt es ernst. Es wird ein Prüfungsexperte aus den Niederlanden einfliegen und das Können des Zivilschutzes Waadt auf die Probe stellen. Patrice geht mit den Teilnehmenden eine Liste mit unterschiedlichen Techniken durch. Diese werden den Niveaustufen 1, 2 und 3 zugeordnet. Niveau 1 beschreibt dabei einen Wissensstand, bei dem man davon ausgehen kann, dass sich jemand sicher im Gelände und am Seil bewegen kann.  Zudem kann diese Person einfache Seilsysteme bauen und ist mit Supervision ein wichtiges Mitglied eines Rettungsteams. Jemand mit Niveaustufe 2 ist in der Lage, komplexere Systeme anzufertigen. Bei der Niveaustufe 3 ist die Komplexität der Systeme am grössten. Zudem kann eine solche Person auch eine Gruppe führen und in Ernstfällen die notwendigen Entscheidungen fällen. «Es ist wichtig, dass wir hier einen international gültigen Standard schaffen. In der Zukunft werden bei Rettungseinsätze wohl vermehrt internationale Teams zusammenarbeiten. Wenn wir beispielsweise Teams aus verschiedenen Rettungsorganisationen oder Ländern auf Platz haben, ist es wichtig, dass man die Leute schnell nach ihren Niveaus einteilen kann. Dabei ist es unabdingbar, dass wir internationale Standards haben und dadurch verhindern können, dass unnötige Unklarheiten entstehen. Genau dazu wollen wir mit der ITRA-Zertifizierung beitragen», so Patrice.

Die Teilnehmer bereiten ihr Material für die kommenden Übungsszenarien vor.

Praktische Übungen zum Sammeln von Erfahrungswerten 

An diesem Morgen gibt es nur wenige Fragen. Auch die im Anschluss auf dem Tablet absolvierten Theorietests scheinen keine Probleme zu bereiten. Daher wird es Zeit, nach der PSA zu greifen und rüber in die Ausbildungshalle zu wechseln. Hier, wo die Seile von der Decke hängen, überall Karabiner und anderes Material fein säuberlich in Regalen und auf Materialwägen geordnet sind, geht der Rest des Tages über die Bühne. Es werden verschiedene Szenarien geübt, denn am Prüfungstag müssen die Teilnehmenden  unter anderem in der Lage sein, einen improvisierten Klettergurt zu erstellen, Sicherungspunkte zu setzen, mit einem Dreibeinstativ zu arbeiten, Seilzugsysteme zu bauen, um daran Abzuseilen. Dabei sind die Knotentechniken noch die kleinste Herausforderung. 

Damit für die Prüfung alles klar ist, geht Patrice mit den Teilnehmern schnell in eine erste Übungsphase. Dafür werden verschiedenfarbige Seile mit Karabinern zu einem ersten eindrücklichen Aufbau kombiniert. Unten hängt ein schweres Gewicht. Es fallen Begriffe wie Norvegian Reeve und English Reeve. Die Experten wissen sofort, von was die Rede ist. Schnell herrscht ein reger Austausch. Das Augenmerk liegt auf den Details. «Generell überprüfen wir jedes System hinsichtlich seiner Redundanz. Alles muss doppelt vorhanden sein, und wenn dies nicht der Fall ist, dann müssen wir dafür sorgen, dass wir Redundanz schaffen können. In einem Ernstfall kann das überlebenswichtig sein», so Patrice. Er weiss, wovon er spricht. Hat er doch selbst die Ausbildung zum Industriekletterer auf den Levels 1, 2 und 3 absolviert. Daraufhin hat er als Industriekletterer gearbeitet, ehe er 2015 angefangen hat, IRATA-Kurse für Altimum Formation SA zu geben. Einst war er gar selbst bei einer Bergung im Tessin beteiligt, als ein Canyoning-Teilnehmer gerettet werden musste. 

Mit höchstem Fokus versuchen sich die Schulungsteilnehmer am ersten Aufbau, das Augenmerk liegt klar auf den Details. 

Durch Herausforderungen lernen 

Als nächstes skizziert Patrice auf dem Whiteboard eine weitere Übung. Ziel ist es, eine Seilbahn zu bauen, um eine Puppe im Rettungsschlitten nicht nur von links nach rechts, sondern auch hoch und runter bewegen zu können. Quasi die komplexere Variante der vorhergehenden Übung. Die Profis sind schnell am Werk und innert kürzester Zeit steht das System. Zumindest fast. Denn einmal mehr wird klar, dem geschulten Auge von Patrice entgeht nichts. Wie bei jeder Übung wird das System begutachtet, bevor es benutzt wird. Vieles sieht gut aus. Aber da ist dieser eine Sicherungspunkt – und die Teilnehmer ahnen es schon, Redundanz… 

Pascal, der Teamleader bei dieser Übung, schüttelt den Kopf und meint: «Patrice findet fast immer was. Er weist uns auf so vieles hin. Das ist eine Herausforderung. Aber gut, denn dadurch stellen wir unsere Abläufe und Systeme in Frage und können sie weiterentwickeln.» Kurz für Redundanz gesorgt, ist dann diese Übung erledigt und die Rettungspuppe schwebt in luftiger Höhe von links nach rechts. 

Auch der Bau eines Rettungsschlittens ist ein wichtiger Bestandteil der ITRA-Schulung. Die Schulungsteilnehmer konstruieren einen Rettungsschlitten und lernen, wie wichtig es ist, Schwachstellen zu erkennen und Systeme kontinuierlich zu verbessern, um Redundanz zu schaffen. 

Zum Abschluss des Tages will Patrice, dass die Seilbahn mittels Zweibein gebaut wird. Ziel ist es auch hier, eine Rettungspuppe sicher in luftiger Höhe zu bewegen. Eine Herausforderung, wie sich später noch herausstellen wird. Anfänglich läuft alles gut. Das Zweibein  steht schnell und die Seile scheinen richtig gespannt. Beim Testen wird dann aber klar, dass die Puppe zwar locker runter auf den Boden, jedoch nicht mehr hoch auf den Vorsprung gehievt werden kann. Das Dreibein steht zu wenig hoch auf dem Vorsprung. Der Winkel verunmöglicht das Hochziehen der Puppe. Das Team kommt zusammen, um die Lage zu besprechen. Patrice fasst es indes so zusammen: «Es ist gut, wenn das hier passiert. Wir testen unsere Systeme und finden heraus, ob diese funktionieren oder nicht – und zwar bevor wir sie draussen im Ernstfall brauchen.» Aus solchen Erfahrungen lernt man sehr viel», und fügt an: «Ich fordere die Teilnehmer bewusst heraus. Zwar würde ich sie niemals in eine gefährliche Situation bringen, jedoch ist es auch wichtig, an Grenzen zu stossen. In der Theorie ist vieles klar, aber nur wenn man es hier selbst erlebt, entsteht auch der bleibende Lerneffekt.» 

Zum Abschluss des Tages bauen die Teilnehmer ein Zweibein, um eine Rettungspuppe sicher in luftiger Höhe zu bewegen. 

Genau deshalb stehen Patrice und die anderen Instruktoren bei Altimum Formation SA jeden Tag auf. Für sie ist es mehr als nur ein Job. Es ist ihr Ziel, dass Leute, die zu ihnen kommen, bestmöglich ausgebildet werden. Damit nicht nur die zu rettenden Personen in guten Händen sind, sondern die Rettungskräfte selbst sicher im Team arbeiten können. Die Leute schätzen den Einsatz von Patrice. Denn obschon der Kurs offiziell bis 17:00 Uhr dauert, so bleiben alle vier noch freiwillig länger, um einige Übungen zu absolvieren und an individuellen Themen zu arbeiten. Patrice kann sich indes das Zufriedenheitslächeln nicht verkneifen und meint: «Wenn morgen alles klappt und sie ihre Zertifizierung erreichen, dann sehen wir uns wohl in drei Jahren wieder.» Spätestens dann müssen die vier einen Refresher-Tag absolvieren, so wie das auch bei den Industriekletterern der Fall ist. 

Patrice reflektiert gemeinsam mit den Teilnehmern die Erfolge und Herausforderungen des Tages, und fasst einmal mehr zusammen worauf es in Praxis zu achten gilt.